Festsetzung von Nachzahlungszinsen ab 2015 nicht verfassungsgemäß

Für Steuererstattungen bzw. -nachzahlungen im Zusammenhang mit Einkommensteuer-, Körperschaftsteuersowie Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerfestsetzungen gilt die sog. Vollverzinsung (§ 233a i. V. m. § 238 AO). Danach werden entsprechende Erstattungen und Nachzahlungen nach Ablauf einer Karenzzeit von regelmäßig 15 Monaten mit einem gesetzlich festgelegten Zinssatz von 0,5 % für jeden vollen Monat verzinst.

In der Vergangenheit hat es immer öfter Meinungen gegeben, wonach die Verzinsung mit 6 % jährlich insbesondere vor dem Hintergrund des aktuellen Marktzinses nicht mehr angemessen ist. In einer neuen Entscheidung des Bundesfinanzhofs6 wurde jetzt erstmals höchstrichterlich die derzeitige Praxis der Verzinsung von Steuernachzahlungen in Frage gestellt. Nach Auffassung des Gerichts gebe es keine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Höhe des Zinssatzes. Der (ursprüngliche) Sinn und Zweck der Verzinsung, den Nutzungsvorteil abzuschöpfen, der dadurch entsteht, dass der Steuerpflichtige während der Dauer der Nichtentrichtung der Steuer über eine Geldsumme verfügen könne, sei angesichts des Niedrigzinsniveaus nicht realistisch. Darüber hinaus wirke die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe in Zeiten der niedrigen Zinsen wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung.

Somit bestünden „schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) folgenden Übermaßverbot entspreche“. Der Bundesfinanzhof6 fordert den Gesetzgeber auf, zu überprüfen, ob die Zinshöhe herabgesetzt werden
müsse. Unter Berufung auf diesen Beschluss können ggf. betroffene Zinsbescheide angefochten und eine entsprechende Aussetzung der Vollziehung für Veranlagungszeiträume ab 2015 erwirkt werden.

1Lohnsteuer-Anmeldungen bzw. Umsatzsteuer-Voranmeldungen müssen bis zum Fälligkeitstag abgegeben werden, da sonst Verspätungszuschläge entstehen können.
2Die Fälligkeit verschiebt sich auf den 2.7., weil der 1.7. ein Sonntag ist.
3Bei Antragstellung bis zum 30. September 2017 (siehe § 28 Abs. 3 GrStG).
4Für den abgelaufenen Monat. Falls vierteljährlich gezahlt wird, für das abgelaufene Kalendervierteljahr.
5Für den abgelaufenen Monat; bei Dauerfristverlängerung für den vorletzten Monat. Falls vierteljährlich ohne Dauerfristverlängerung
gezahlt wird, für das abgelaufene Kalendervierteljahr.

6Beschluss vom 25. April 2018 IX B 21/18.
7Beschluss vom 21. Februar 2018 VI R 11/16.
8Vgl. § 33 Abs. 3 EStG. Zur Ermittlung der zumutbaren Belastung siehe Informationsbrief Juni 2017 Nr. 2.
9Vgl. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG. Bei Rentenbeginn mit 65 Jahren beträgt der Ertragsanteil z. B. 18 %.
10Urteil vom 17. Oktober 2017 5 K 1605/16.
11Az. des BFH: VIII R 4/18.
12Die Nutzung von Fitnessstudios fällt regelmäßig nicht unter die Steuerbefreiung für Gesundheitsvorsorge i. S. von § 3 Nr. 34 EStG.
13Niedersächs. FG, Urteil vom 13. März 2018 14 K 204/16.
14Vom 7. Juli 2004 VI R 29/00 (BStBl 2005 II S. 367).
15BFH-Urteil vom 14. November 2013 VI R 36/12 (BStBl 2014 II S. 278); siehe dazu Informationsbrief Mai 2014 Nr. 3.
16FG Düsseldorf, Urteil vom 4. November 2016 1 K 2470/14 L.
17Az. des BFH: VI R 1/17.
18Finanzmittel, wie z. B. Bankguthaben oder Geldforderungen, gelten als (schädliches) Verwaltungsvermögen, soweit ihr Wert 15 % des
Werts des Betriebsvermögens übersteigt.

19Siehe dazu insbesondere § 13b Abs. 7 ErbStG.
20Urteil vom 30. November 2017 3 K 2867/15 Erb (EFG 2018 S. 576).
21Az.: II R 8/18.
22Urteil vom 17. Oktober 2017 5 K 2297/16 (EFG 2018 S. 470).
23Az. des anhängigen Verfahrens: II R 49/17.